Meine Meinung

Einer der verlustreichsten Jahresstarts der Geschichte, den die meisten Aktienindizes erlitten haben, ist, auch wenn fast alle Kommentatoren dies behaupten, nicht allein auf den extremen Kursrutsch an den chinesischen Börsen zurückzuführen. Verschärfte geopolitische Spannungen, die Unsicherheit über die US-Zinspolitik und die in den ersten Tagen des Jahres üblicherweise liquiditätsarmen Märkte haben zur Nervosität beigetragen. Aber zurück zu China: Wie berechtigt sind die Ängste – und was bedeutet das für die Aktien weltweit?

Das Börsendesaster in China hat seinen Ursprung bei den nur im Riesenreich gehandelten A- und B-Aktien, die überwiegend von Privatanlegern gekauft werden, und das häufig mit hohen Kredithebeln. Im ersten Halbjahr 2015 hatten meist unerfahrene private Zocker in Erwartung einer Öffnung der A- und B-Aktien für Ausländer die Kurse so massiv hoch getrieben, dass sich die Indizes binnen weniger Monate verdoppelten. Diese Spekulationsblase platzte zwar im Sommer, aber nicht ganz, weil die Regierung das Entweichen der Luft mit vielen Maßnahmen gestoppt hat.

Das hat sich jetzt gerächt, auch weil zur Jahreswende neue Regeln eingeführt wurden, die den Börsenhandel bei starken Kursverlusten zuerst zeitweise und dann für den ganzen Tag stoppen.

Das hat Ängste ausgelöst, Aktien – vor allem kreditfinanzierte und von den Banken zwangsexekutierte – gar nicht mehr loswerden zu können, mit der Folge, dass alle, die verkaufen wollten, dies gleich in den ersten Börsenminuten getan haben, statt es wie üblich auf den Tag zu verteilen. Und das hat die Kurse abstürzen lassen. Die Regierung hat jetzt reagiert und die unsinnige Handelsaussetzung aufgehoben. Das dürfte die Märkte zwar etwas beruhigen, aber die Nervosität bleibt, weil chinesische Inlandsaktien immer noch teurer bewertet sind als die in Hongkong oder New York gelisteten und vor allem von Großanlegern gehandelten Titel. Diese Bewertungslücke muss erst weitgehend geschlossen werden, um die Ängste ganz zu verscheuchen.

Es sind somit überwiegend technische Gründe, die den Kursverfall in Shanghai und Shenzhen ausgelöst haben. Die wirtschaftlichen Daten sind zwar auch nicht zum Jubeln, weil Chinas Industrie einfach nicht auf die Beine kommt. Das ist aber nicht nur ein konjunkturelles Problem sondern vorwiegend ein strukturelles. China will weg von der Industrie- und Exportabhängigkeit und stärkt deshalb Konsum und Dienstleistungen zu Lasten der Industrie. Diese Umorientierung verläuft naturgemäß nicht ohne Anpassungsschocks und bei weitem nicht so glatt wie von der Regierung erwartet. Deshalb leidet das Wachstum. Dank der Zinssenkungen, des schwächeren Yuan und der Investitionsprogramme des Staates ist ein Ende der Wachstumsabschwächung allerdings absehbar. Und selbst die für 2016 „befürchteten“ nur 6 % Wachstum sind weitaus höher als in allen Industriestaaten.

Die Konjunktur in den Industrieländern läuft gut

Angesicht der China-Ängste, die auch die Rohstoffmärkte und den Yuan (teilweise auch technisch bedingt) nach unten gezogen haben, ist ganz untergegangen, dass die Konjunktur in den Industrieländern zum Jahresstart erstaunlich gut läuft. Die Frühindikatoren für Europa zeigen ebenso wie die Arbeitslosigkeit eine deutliche Belebung an, in den USA wurden im Dezember erneut immens viele neue Stellen aufgebaut, die das Wachstum stützen, und in Japan zeigen die Indikatoren ebenfalls aufwärts. Nur die Schwellenländer unter Führung Chinas und der Rohstoffländer leiden. Wenn aber die Konjunktur in den Industriestaaten, die immer noch den Großteil der Weltwirtschaft bestimmen, so robust ist, kann es auch bei einer Schwäche Chinas und anderer Emerging Markets kaum zu der Weltrezession kommen, die jetzt viele an die Wand malen.

In meinen Augen ist der Kurssturz zum Jahresbeginn deshalb nicht der Beginn einer neuen Baisse sondern eine der vielen scharfen Korrekturen, wie wir sie seit dem Beginn des Börsenaufschwungs 2009 häufig erlebt haben.

Die Bewertungen und mehr noch die Dividendenrenditen sind jetzt vor allem in Europa und Asien wieder sehr günstig, und da die Nullzinsphase in Europa und Japan noch Jahre anhalten und in den USA nur langsam steigenden Zinsen weichen wird, gibt es einfach keine vernünftige Alternative zu Aktien. Der jetzige Kursrutsch bietet sich deshalb für günstige Käufe an, wobei aber jedem Anleger klar sein muss: Wenn die Märkte verrückt sind, dann gründlich. Die Korrektur kann deshalb durchaus noch eine Weile weitergehen. Deshalb sollten Käufe nicht auf einmal sondern peu á peu vorgenommen werden, um einen günstigen Mischkurs zu erzielen. Das wird sich langfristig auszahlen.

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