Meine Meinung

Überraschung war es nun wirklich keine, als Jerome Powell, der neue Chef der US-Notenbank Fed, am 21. März eine Erhöhung der Zinsen (der Fed-Fund-Rate) um einen weiteren Viertel Prozentpunk t auf 1,5 bis 1,75% bekanntgab. Entscheidend für die Anleger war und ist, wie es mit der amerikanischen Zinspolitik weitergeht.  Und da gab Powell in seiner ersten Pressekonferenz  als Fed-Chef gemischte Signale. Er hat zwar die Befürchtungen gedämpft, dass es 2018 vier Leitzinserhöhungen geben werde, die Projektion blieb bei drei. Allerdings rechnet  die Fed für die Jahre 2019 und 2020 nun mit mindestens einer Zinserhöhung mehr als bisher erwartet. Das geht einher mit besseren Konjunktur- und höheren Inflationserwartungen der Notenbanker in den nächsten Jahren.

Was bedeutet das für uns Anleger und die Börsen? Ich denke, dass wir uns auf erhöhte geldpolitische Unsicherheiten einstellen müssen, und Unsicherheit ist nun einmal ein schleichendes Gift für die Finanzmärkte. Das haben wir in den Stunden nach der Fed-Entscheidung erlebt, als die Kurse wild hin und her geschwankt sind.  Wie nervös die Anleger geworden sind, haben wir ja extrem Ende Januar und im Februar erfahren müssen, als die nach starken Lohnsteigerungen in den USA plötzlich aufkommenden Inflations- und Zinsunsicherheiten die Börsen steil nach unten geschickt hatten. Und jetzt belasten die Zinsunsicherheiten und der drohende Handelskonflikt USA-China. Die von mir in meinem Jahresausblick für 2018 angekündigte Kurskorrektur um 10% und mehr bei den wichtigsten Aktienindizes ist damit ziemlich schnell Realität geworden. Diese Korrektur kann durchaus noch eine Weile anhalten. In der Vergangenheit haben Korrekturen – also Rückgänge um mindestens 10% –  im Durchschnitt rund zweieinhalb Monate gedauert – jetzt sind noch nicht ganz zwei vorüber.

Das ist in meinen Augen das überfällige Gewitter, das die Börsenatmosphäre nach eineinhalb Jahren fast ununterbrochenen Anstiegs wieder einigermaßen gereinigt hat. Die gröbsten spekulativen Übertreibungen wurden abgebaut. Nicht nur deshalb stehen die meisten Aktienmärkte jetzt in puncto Bewertung wieder auf einer relativ soliden Basis.

Hinzu kommt noch, dass die Gewinne der Unternehmen im vierten Quartal in den USA ebenso wie in Europa im Durchschnitt so positiv überrascht haben wie seit langem nicht mehr. Die Gewinnschätzungen für 2018 insgesamt sind deshalb von den Analysten deutlich nach oben geschraubt worden. Zusammen mit den gefallenen Kursen hat das dafür gesorgt, dass die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV), also der wichtigste Bewertungsmaßstab, in den USA und in Europa jetzt um fast 20% niedriger sind als noch vor zwei Monaten.

Europa ist mit einem KGV von 13, gemessen an den Gewinnschätzungen für 2018,  deutlich günstiger als die USA mit 17. Allerdings dürften die Unternehmensgewinne jenseits des Atlantik weiterhin stärker zulegen. Denn  die Steuerreform und der schwache Dollar erhöhen die Profitabilität zum Teil deutlich. Bei uns dagegen drückt der gestiegene Dollar – allerdings nicht so stark wie von der Mehrheit der Analysten erwartet worden war. Die überraschend guten Zahlen fürs vierte Quartal 2017 haben das gezeigt. Das ist auch wenig verwunderlich, weil sich die Effekte von Wechselkursschwankungen wegen der Devisenabsicherungen der Unternehmen erst verzögert und abgeschwächt zeigen.

Trotz der geringeren Gewinndynamik würde ich europäische Titel gegenüber amerikanischen bevorzugen. Sie sind ganz einfach wesentlich günstiger bewertet und sie werfen höhere Dividendenrenditen ab.  Und Zinserhöhungen, das hat EZB-Chef Mario Draghi nach der letzten EZB-Ratssitzung klar gemacht, wird es in der Eurozone so schnell nicht geben. Hinzu kommt, dass einige  US-Technologieriesen 2017 viel zu schnell und zu stark gestiegen sind.

Welche Gefahren so eine Überspekulation in sich birgt, hat man jetzt bei der Facebook-Aktie gesehen, die nach dem Datenskandal um Cambridge Analytica innerhalb weniger Tage um fast 20% abgeschmiert ist. Für aussichtsreich halte ich nach dem Kursrutsch die Schwellenländer-Aktien, die besonders vom stärker werdenden Aufschwung der Weltwirtschaft profitieren und überdies günstig bewertet sind.

Rein von den fundamentalen Daten her betrachtet spricht meines Erachtens also vieles dafür, dass die Hausse nach dieser Korrekturphase weitergehen wird – wenngleich unter viel stärkeren Schwankungen  als dies 2017 und Anfang 2018 der Fall war. Der wichtigste Kurstreiber sind die steigenden Unternehmensgewinne, die Geldpolitik wirkt dagegen leicht dämpfend, vor allem wegen der Zinssteigerungen in den USA, denen China auch jetzt wieder sofort gefolgt ist. Aber klar ist auch, dass die Geldpolitik trotzdem weltweit expansiv bleibt – nur eben weniger expansiv als bisher.

Die Risiken für die Aktienmärkte kommen deshalb vor allem aus dem politischen Bereich. Ich will nicht zu sehr ins Detail geben. Aber klar ist, dass die Steuerreform Trumps zwar zunächst positiv auf die Konjunktur und die Gewinne wirkt, aber anschließend erhebliche Gefahren birgt. Denn die Steuern in einer Phase kräftig zu senken, in der die US-Wirtschaft ohnehin schon zu überhitzen droht, gießt zusätzlich Öl ins Feuer – sprich es wird früher oder später die Inflation neu aufflammen lassen.  Hinzu kommt die Handelspolitik Trumps, die zwar, anders als viele glauben, nach meinen Erwartungen keinen Handelskrieg auslösen, aber immer wieder für Unsicherheit sorgen wird. Trump pokert eben, wie er es mit der Steuerreform auch getan hat. Auch die geopolitischen Unsicherheiten mit Russland, im Nahen und Mittleren Osten sowie in Korea werden wohl permanent für Unruhe sorgen. Auch wir in Europa haben Probleme. Sie hängen vorwiegend mit Italien zusammen, das nach der Wahl keine stabile Regierung bekommen dürfte und wo sich die vielen Versprechungen der Politiker in Luft auflösen werden. Das hält die gefährliche italienische Bankenkrise am Kochen – wird aber dafür sorgen, dass EZB-Chef Draghi seinen Landsleuten nicht mit einer strafferen Geldpolitik in die Parade fahren wird. Draghi ist das italienische Hemd allemal näher als der europäische Rock.

Es wird also in den nächsten Monaten spannend bleiben an den Finanzmärkten, weil den großen Chancen viele Risiken gegenüberstehen. Aber das, was ich in „Meine Meinung“ Mitte Dezember als Fazit prognostiziert hatte, gilt unverändert: „2018 wird ein schwieriges, aber kein schlechtes Börsenjahr.“

Anleger fahren in diesem Umfeld mit einem breit aufgestellten weltweiten Depot am besten. Mit kostengünstigen ETFs ist das einfach und  effektiv möglich  – so wie ich das in meinem neuen Buch „Die Revolution der Geldanlage“ ausführlich beschreibe und empfehle.

Bild: Federal Reserve