Meine Meinung

Überraschung war es ja nun wirklich keine mehr, als die US-Notenbankchefin Janet Yellen am Mittwoch das verkündete, was manche als „historisch“ bezeichneten: Den Beginn des Abbaus der riesigen Anleihebestände ab Oktober. Auch das Ausmaß von zunächst zehn Milliarden Dollar pro Monat und dann quartalsweise zehn Milliarden mehr bis hin zu 50 Milliarden Dollar war an den Märkten erwartet worden. Ich kann mich an wenige Notenbankentscheidungen erinnern, die so lange und sorgfältig vorbereitet und frühzeitig kommuniziert worden sind. Ein Lob an Janet Yellen, denn damit hat sie den Börsen die Angst vor dem  schleichenden Entzug der Droge Geld genommen.

Es wurde aber auch Zeit, dass die Fed die seit Beginn der Finanzkrise vor zehn Jahren auf 4,5 Billionen Dollar angeschwollene Bilanzsumme allmählich reduziert. An den Märkten wird angenommen, dass zunächst einmal drei Milliarden Dollar die Zielmarke sein wird. Da die Fed erst einmal nur fällige Anleihen nicht ersetzt und noch keine Bonds an der Börse verkauft, werden vermutlich die Rentenmärkte nicht allzu sehr darunter leiden. Die Renditen dürften zwar klettern, aber der Aufwärtsdruck wird wohl erst stärker werden, wenn die Volumina des Abbaus zunehmen und nicht mehr nur ganz kurze Laufzeiten abgebaut werden. Also nicht vor 2018.

Für die Aktienmärkte bedeutet das alles, dass die Liquidität nur langsam wieder eingefangen wird und die Konjunktur kaum  beeinträchtigt wird. Außerdem nehme ich an, dass immer mehr Anleger aus Furcht vor Kursverlusten von Anleihen, die mit steigenden Zinsen einhergehen, einen Teil ihrer Bondbestände in Aktien umschichten. Die Aufwärtsbewegung an den Aktienbörsen bleibt damit intakt.

Interessanter für die Finanzmärkte war, welche Aussagen die Fed zur Zinsentwicklung macht. Und da hat es doch überrascht, dass nach der für Dezember erwarteten nächsten Leitzinserhöhung 2018 unverändert drei Anhebungen geplant sein sollen. Viele Anleger hatten nur mit zwei gerechnet. Ende nächsten Jahres würden demnach die Fed-Fund-Rates bei 2,0 bis 2,25% liegen, also einen Prozentpunkt höher als derzeit. Unerwartet kam auch, dass die Fed ihre Inflationsprognosen zurückgenommen hat. Frau Yellen sagte allerdings auch, dass die niedrige Inflationsrate von derzeit 1,9 % für sie „ein Mysterium“ sei, und sie verstehe nicht ganz, warum die Preise trotz guter Beschäftigung und starker Konjunktur so langsam steigen.

Während also die Fed weiter Zinsen erhöht und anfängt, Liquidität abzusaugen, ist davon bei der EZB weit und breit nichts zu merken. Zinserhöhungen, das hat EZB-Chef Mario Draghi auf der letzten Sitzung gesagt, wird es noch lange nicht geben, und er kann sich sogar vorstellen, dass die Anleihekäufe von zurzeit 60 Milliarden Euro monatlich bei Bedarf erhöht werden könnten. Wenn ich mir die sehr robuste deutsche und europäische Konjunktur anschaue, ist das ein schlechter Witz. Wann, wenn nicht in einer solchen komfortablen Lage will die EZB eigentlich ihren Anleiheberg von über zwei Billionen Euro abbauen und Zinserhöhungen zumindest ins Auge fassen? Draghi tut ja so, als stünden wir kurz vor einer Rezession und einer Deflation.

Wenn Draghi so redet, fragt man sich, ob er wohl die Fakten nicht kennt. Keine Sorge, er kennt die Fakten und weiß, dass es in der Wirtschaft der Eurozone gut läuft. Da besteht die Gefahr, dass die Finanzmärkte mit bald steigender Inflation und steigenden Zinsen rechnen und diese schon heute vorwegnehmen. Als Folge würden die von Draghi nach unten manipulierten Anleiherenditen steigen. Er hat die Dreistigkeit, den Finanzmärkten verbal zu suggerieren, dass die Null-Zinspolitik noch lange bestehen bleibt, damit er seine Zinsmanipulationen ungestört weitertreiben kann und sie seine Kreise nicht stören. Seine Machenschaften sind zum Nachteil Deutschlands.

Denn vor allem für unser Land ist eine Wende in der Geldpolitik längst überfällig. Die Nullzinspolitik passt nicht zu einem Wirtschaftswachstum von voraussichtlich über zwei Prozent und einer Arbeitslosigkeit, die so niedrig ist wie nie seit der Wiedervereinigung. Im Gegensatz zu den Aussagen von Frau Yellen und der EZB zieht aber die Inflationsrate seit Monaten an. In der Eurozone erreichte sie im August 1,5% – in Deutschland sogar 1,8%. Da die südländischen Problemstaaten Griechenland, Italien, Frankreich und Portugal im Durchschnitt gerade einmal gut ein Prozent Preisauftrieb verzeichnen, wird Draghi selbst dann stillhalten, wenn in Deutschland die Inflationsrate in Richtung 2,5 bis drei Prozent steigt, was ich 2018 erwarte, denn steigende Energie-, Rohstoff-, Nahrungsmittel- und Mietpreise verstärken zusammen mit höheren Löhnen den Preisdruck zusehends.

Bei Inflationsraten von über zwei Prozent und quasi null Prozent Zinsen für Bankeinlagen und Staatsanleihen unter zehn Jahren Laufzeit bedeutet das dann einen enormen Kaufkraftverlust für die Zinsanleger. Und der wird sich noch erhöhen, weil Draghi ´“seinen“ Italienern und den anderen Südländern erst dann die Drogen Liquidität und Nullzinsen entziehen wird, wenn auch bei ihnen die Inflation über zwei Prozent steigt. Und das kann noch lange dauern, weil Italien und Co. wenige Anstalten machen, überfällige Reformen einzuleiten.  Ich sehe deshalb den Euroraum auf einem schlechten Weg, und der wird früher oder später auch den Euro in Mitleidenschaft ziehen, der jetzt noch davon profitiert, dass die Märkte wegen Donald Trumps unberechenbarer, oft irrwitzigen Politik, beim Dollar sehr vorsichtig sind.

Ich erwarte zwar, dass die europäischen Aktien ihren Aufwärtstrend fortsetzen werden, zumal sie im Vergleich zur US-Börse deutlich unterbewertet sind; aber angesichts der unverantwortlichen Politik Draghis sollten Sie unbedingt, schon aus Notwehr gegen Draghis zugunsten der Südländer betriebenen Geldpolitik, in Aktien investieren und diese aber breit international streuen und auf jeden Fall die Schwellenländer berücksichtigen.

Dort zieht das Wachstum besonders ausgeprägt an, denn sie profitieren von der Erholung der Öl- und Rohstoffpreise. Mit börsengehandelten Indexfonds – ETF – lässt sich heutzutage für Privatanleger eine breite internationale Streuung so bequem, einfach und und kostengünstig bewerkstelligen wie noch nie.

 

Bild: Federal Reserve