Dieser Jahresausblick beginnt ausnahmsweise nicht mit den Aussichten und Chancen für Wirtschaft und Börse, sondern mit dem größten Risikofaktor.
Am 20. Januar wurde Donald Trump als Präsident der USA vereidigt. Die Antrittsrede eines neuen Präsidenten hat stets auch einen Hauch von Geschichte. Hier wird die Vision präsentiert, die eine Regierung, den Kongress, die ganze Nation leiten und die auch eine Botschaft an die Welt sein soll. Doch die Antrittsrede von Trump war anders als alle anderen zuvor. Seine Botschaft lautete: „Von heute an wird eine neue Vision unser Land regieren. Von nun an gilt: Amerika zuerst“. Zwei Worte, die einen chauvinistischen Nationalismus beinhalten und eine Kampfansage an den Rest der Welt.
Er hat das gesamte anwesende Establishment – darunter frühere Präsidenten – beleidigt und gedemütigt. Hier sprach nicht, wie es bisher hieß, der Führer der freien Welt oder der Präsident der globalen Ordnungsmacht, sondern einer, der bestehende Ordnungen zerstört, der auf Rache sinnt gegen das Establishment, gegen das Ausland, gegen die Globalisierung.
Er zeichnete ein düsteres Bild vom Zustand Amerikas und gab sich als Retter, der das Land vor dem Niedergang bewahrt mit den Worten: „Ich werde Amerika wieder groß machen“.
Sein Wirtschaftsprogramm besteht aus drei Teilen: Steuersenkungen, Regulierungen abschaffen oder lockern und ein massives Infrastrukturprogramm.
Trump hat sein Programm von US-Präsident Ronald Reagan kopiert. Sogar der Slogan: „Mach Amerika wieder groß“ stammt von Reagan 1980.
Doch die Situation 1980 unterscheidet sich von der heutigen wie Tag und Nacht. Reagan traf auf eine heruntergekommene Wirtschaft und eine galoppierende Inflationsrate von 14 Prozent. Um sie zu stoppen, erhöhte die US-Fed die Leitzinsen auf 20 Prozent. Die 10-jährigen US-Staatsanleihen rentierten mit – sage und schreibe – 15 Prozent, die Wirtschaft stürzte ab in eine Rezession und die Arbeitslosigkeit betrug Ende 1982 10,8 Prozent.
Heute wächst die Wirtschaft mit fast 2 Prozent, die 10-jährigen Staatsanleihen rentieren mit 2,5 Prozent, die Inflationsrate liegt bei 1,7 Prozent und die Arbeitslosigkeit beträgt 4,7 Prozent, d.h. es herrscht Vollbeschäftigung.
Trump hat also die Lage unzutreffend geschildert und ein Zerrbild der wahren Situation gezeichnet.
Mit seinen Plänen hat Trump aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht: die US-Notenbank Fed. Ihre Präsidentin Janet Yellen, hat eine härtere Gangart in der Geldpolitik angekündigt.
Es sei sinnvoll, die Zinsen schrittweise anzuheben. Sollte Trump seine Wahlversprechen wahr machen, könnte dies einen Wachstums- und Inflationsschub bewirken und die Fed zu rascheren Zinserhöhungen zwingen. Dadurch würden die Kredite für die Industrie und für Hauskäufer steigen – was einen Baulöwen wie Trump besonders schmerzen würde. Hinzu käme, dass der Dollar wegen der zunehmenden Zinsdifferenz zum Euro oder Yen weiter aufgewertet würde. Das wiederum würde den US-Exporten schaden, wodurch sich das riesige Handelsbilanzdefizit vergrößern würde – das Gegenteil von dem, was Trump anstrebt.
In allen Hauptstädten der Welt wird heute gerätselt, wer Trump davon abhalten könnte, dass er den Freihandel einschränkt und Strafzölle erhebt. Man hofft, dass der Kongress ihm Einhalt gebieten könnte. Es gibt zwar bei Trumps politischen Projekten, wie etwa der Steuerreform oder dem gigantischen Infrastrukturprogramm, unterschiedliche Vorstellungen auch bei den Republikanern. Aber in der Praxis wird Trump öfter gewinnen als verlieren.
Dann gibt es noch das Kabinett, das mäßigend wirken könnte. Aber Minister kann Trump entlassen, wenn sie ihm zu sehr in die Quere kommen. „You are fired“ ist ein Satz, den er im Tiefschlaf hersagen kann.
Eine weitere Gruppe, die Einfluss auf Trump hat, sind seine engsten Berater, darunter sein Schwiegersohn Kushner und Vizepräsident Pence. Doch weder Politiker, noch die Wirtschaftseliten oder die Medien werden ihn entscheidend beeinflussen können.
Trump ist sprunghaft, unberechenbar und irrational. Er brüstet sich sogar damit, dass gerade seine Unberechenbarkeit einer seiner Stärken sei. Mit seiner narzisstischen Persönlichkeitsstörung braucht er Lob, Anerkennung, ja, Bewunderung, wie die Luft zum Atmen.
Er ist also ganz anders als der übliche Politiker. Er ist nicht prinzipienlos, sondern er ist ein kaltblütiger Geschäftsmann, der sein Leben lang verhandelt hat, mal mit Prahlerei, mal mit Drohungen. Er ist immer darauf aus, einen Deal zumachen und er kann sich im richtigen Moment zum charmantesten Gentleman verwandeln.
In der Politik und in der Wirtschaft gibt es aber Mächte und Gesetzmäßigkeiten, die er nicht beherrschen kann: Er kann das Gesetz von Angebot und Nachfrage nicht außer Kraft setzen, er kann die Börsen als Wettbüros auf die Zukunft nicht steuern und er kann die Massenpsychologie nicht dauerhaft manipulieren.
Wenn Trump drastische Einfuhrzölle erhebt, verteuern sich die Einfuhrgüter. Wenn er dann damit rechnet, dass diese Güter in den USA gefertigt werden, verteuern sie sich ebenfalls, denn die amerikanischen Löhne sind oft 10 mal höher als die der Chinesen, Inder oder Vietnamesen. In beiden Fällen mindert es die Kaufkraft und schadet dem Konsum.
Und dass er tatsächlich die Jobs, die im industriellen Rostgürtel – in Ohio, Illinois oder Michigan – verloren gegangen sind, wo seine Wähler sitzen, wieder zurückholen kann, ist mehr als fraglich. Sollte ihm das gelingen, sollten wir ihn als Berater anheuern, damit er Duisburg und Umgebung zu alter Blüte verhilft.
Seinem gigantischen Infrastrukturprogramm sind schon wegen der staatlichen Schuldenquote von über 100 Prozent enge Grenzen gesetzt.
Aber die Steuersenkungen werden mittelfristig die Kostenstrukturen der US-Konzerne verbessern und die Unternehmensgewinne erhöhen. Selbst wenn sein Wirtschaftsprogramm nur mit Abstrichen den Kongress passieren und nur teilweise umgesetzt wird, so können wir davon ausgehen, dass es noch immer die radikalsten Änderungen seit Ronald Reagan 1980 darstellt.
Die Zeichen stehen also 2017 auf mehr Wachstum, mehr Inflation, höhere Zinsen und einen etwas höheren Dollar.
Die daraus resultierende Umschichtung – raus aus verlustbringenden Anleihen, hinein in Aktien – wird den Börsen einen zusätzlichen Schub geben.
Fed-Chefin Yellen hat trotz ihrer Ankündigung von etwaigen rascheren Zinsschritten erklärt: „Dennoch bleibt unser Fuß auf dem Gaspedal, da wir sicherstellen wollen, dass der Aufschwung stark genug bleibt, um Störfeuern von außen zu widerstehen.“
Denn die Steuersenkungen werden frühestens in der zweiten Jahreshälfte wirken, das Infrastrukturprogramm sogar erst Ende 2018.
Die US-Börsen haben schon viel, fast zu viel, von Trumps Heilsversprechungen vorweggenommen. Sektoren wie Banken, Versicherungen und Rohstoffe sind überteuert, andere wie Konsumwerte sind zurückgeblieben. Selbst wenn man 2017 eine Steigerung der Unternehmensgewinne von 12 Prozent unterstellt, sind US-Aktien hoch bewertet.
Europäische Börsen sind, gemessen am Kurs-/Gewinn-Verhältnis (KGV) um etwa 20 Prozent billiger, gemessen am Kurs-/Buchwert-Verhältnis (KBV) sogar um über 40 Prozent. Überdies ist ihre Dividendenrendite eineinhalb mal so hoch wie die des S&P 500.
Die Emerging Markets sind gegenüber den Industrieländern noch um 30 Prozent billiger.
Die Börsen haben trotz des 8-jährigen Aufschwungs zwischendurch markante Korrekturen erlebt, wie zuletzt 2016. Generell sind die fundamentalen Bedingungen für steigende Aktienmärkte für 2017 aber günstiger als seit langem, weil erstmals die Unternehmensgewinne weltweit wieder klettern.
Und steigende Gewinne, gepaart mit überreichlicher Liquidität, waren schon immer die besten Treibsätze für steigende Aktienbörsen.
Neben dem Risiko Trump gibt es 2017 noch andere Unsicherheiten, wie die Wahlen in Frankreich, Holland und Deutschland, deren Ausgang eine Euro-Krise auslösen könnte.
Geopolitisch bleibt Nahost oder ein Konflikt zwischen den USA und China ein Risikofaktor. Erhebliche Schwankungen an den Börsen sind also vorprogrammiert.
Anleger sind gut beraten, wenn sie solche Irritationen aussitzen, immer mit dem Gedanken, dass viel dafür spricht, dass 2017 ein besseres Aktienjahr werden kann als 2015 und 2016.
Für Zinssparer wird 2017 jedoch das schlechteste Jahr werden. Seit 6 Jahren wurden sie mit Nullzinsen enteignet. Nun werden ihre Ersparnisse auch noch durch die Inflation entwertet. Es wird Zeit, dass sie auch in Aktien anlegen.
Die Risiken von Aktien werden überschätzt. Aktien bringen langfristig, einschließlich Dividenden, Renditen von jährlich 8-10 Prozent. Sie sind der beste Schutz vor der Inflation. Auch Kleinsparer können heute breit gestreut in Aktienindexfonds (ETFs) mit geringen Beträgen anlegen.