Seit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten Anfang November 2016 sind die Börsen weltweit rasant gestiegen – etwa der DAX um fast 23 Prozent. Erstaunlich ist, dass es bei dieser Hausse bisher keine Verschnaufpause, geschweige denn eine richtige Korrektur, gegeben hat. Herrscht also an den Aktienmärkten eitel Sonnenschein? Es hat zumindest nach außen den Anschein, weil zuletzt weder politische Turbulenzen rund um Trump, Brexit, Griechenland-Rettung oder Nordkorea den Aufschwung aufhalten konnten, noch wirtschaftliche Rückschläge wie die Abstufung von Chinas Kreditwürdigkeit durch Moody´s oder einige enttäuschende US-Konjunkturdaten.
Trotzdem: Im Sommer gibt es häufig auch heftige Gewitter, und die erwarte ich auch an den Börsen in den nächsten ein bis zwei Monaten. Mögliche Auslöser gibt es viele. Wobei es ja oft so ist, dass eine Korrektur von einem Ereignis ausgelöst wird, an das wir vorher gar nicht denken. Das sind dann die so genannten Imponderabilien. Aber welche „harten“ Gründe sind denkbar?
Da wäre zunächst die erwartete Zinserhöhung der Fed im Juni, die aber gar nicht mehr so 100-prozentig sicher ist wie noch vor kurzem erwartet worden war. Wegen der US-Konjunktur. Trumps Budgetentwurf wird jedenfalls auch von seiner eigenen Partei schon zerpflückt, so dass keine prophetische Gabe dazugehört, mit abgespeckten Steuersenkungen und Infrastrukturausgaben zu rechnen. Und auch ansonsten ist von Trumps Skandalen noch einiges zu erwarten. Amerikas Wirtschaft wird deshalb wohl noch länger auf Klarheit in der Finanz- und Wirtschaftspolitik warten müssen und richtet sich schon darauf ein, dass die erhofften Segnungen des „Trump-Trade“ viel später und schwächer als erwartet eintreten werden.
Ein wunder Punkt ist auch die EZB. Mario Draghi gerät mit seiner Zinspolitik immer stärker ins Abseits. Er hält zwar stur an seiner Nullzinspolitik und seiner Geldschwemme fest, aber besonders aus Deutschland wird der Gegenwind stärker, sowohl von Bundesbankpräsident Weidmann als auch – wenngleich halbherzig – von der Regierung und am drastischsten von den Wirtschaftsweisen, die Draghi ultimativ aufgefordert haben, die Nullzinspolitik aufzugeben. Denn die Konjunktur zieht an und die Inflation in Euroland und noch mehr in Deutschland marschiert stramm auf zwei Prozent zu, dem „Wunschziel“ der EZB.
Während in den USA, Japan und China der Wirtschaftsaufschwung seit einigen Monaten leichte Ermüdungserscheinungen zeigt, sieht es in Europa deutlich besser aus. Das Wachstumstempo im ersten Quartal war im Euroraum schon höher als in den USA, und daran wird sich vorerst auch nicht viel ändern, weil die Einkaufsmanagerindizes für Europa und Deutschland auf 73-Monats-Hochs notieren, und das ifo-Geschäftsklima für Deutschland gar auf einem Allzeithoch.
Das hat dazu geführt, dass es auch an den Börsen einen Favoritenwechsel gegeben hat, eine Rotation rein in europäische Aktien, vor allem zu Lasten von US-Dividendentiteln. Die Aktienfonds mit Schwerpunkt Europa verzeichnen weltweit Rekordzuflüsse, und viele Großanleger erhöhen zudem ihre Aktienquoten zu Lasten von Anleihen und Cash. Angelockt werden sie auch von stärker als erwartet steigenden Unternehmensgewinnen in Europa. Die Prognosen für 2017 sind auf plus 14 bis 17 % angehoben worden. Das ist, zusammen mit der um fast 20 % niedrigeren KGV-Aktienbewertung als in den USA der Hauptgrund dafür, dass massiv Geld in europäische Aktien strömt und die Korrektur bisher nicht kommen wollte, obwohl der DAX seit Jahresbeginn mit fast 11% im Gewinn liegt, genauso der EuroStoxx 50. Der S&P 500 kommt dagegen „nur“ auf gut 7%, der Nikkei 225 auf 4%.
Gerade deshalb sollten sich die Anleger, wie eingangs schon betont, auf eine Korrektur einstellen. Es herrscht, wie am extrem niedrigen „Angstindex“, den Volatilitätsindizes abzulesen ist, fast völlige Sorglosigkeit. Dagegen steht der Index für globale Risiken – ja, den gibt es – auf einem Höchststand. So eine Diskrepanz hat es bisher noch nie gegeben.
Die Korrektur, die ich deshalb in den nächsten Monaten erwarte, sollten jedoch diejenigen Anleger, die in Aktien unterinvestiert sind – und das sind anscheinend die meisten – dazu nutzen, um ihre Bestände aufzustocken. Denn der Haussetrend an den Börsen bleibt nach einem reinigenden Gewitter, das wieder für die „gesunde Luft“ am Aktienmarkt sorgen würde und deshalb wünschenswert wäre, ziemlich sicher bestehen. Die Weltkonjunktur wächst wieder stärker, auch dank Europa, und die Alternativen sind angesichts einer Zinswende, die in den USA schon da ist und in Euroland vermutlich früher als gedacht kommt, äußerst spärlich. Die Inflationsraten werden besonders in Deutschland voraussichtlich schneller und stärker steigen als es die Märkte erwarten. Und das bedeutet, dass die Zinsanlagen noch mehr als jetzt entwertet werden. Eine gesunde Portion Aktien gehört deshalb spätestens nach einer Korrektur zum Pflichtprogramm jedes Anlegers.