Meine Meinung

Überraschung war es wirklich keine, als die US-Notenbank Fed ihren Leitzins am Mittwoch um einen weiteren Viertelprozentpunkt auf 0,75% bis 1,0% erhöht hat. Selten zuvor waren sich die Finanzmärkte über eine Entscheidung so sicher. Das Interesse konzentrierte sich deshalb auf die Pressekonferenz von Fed-Chefin Janet Yellen und die Prognosen ihrer Kollegen aus der Notenbank. Und beide haben Befürchtungen zerstreut, die Fed könnte nun den Bleifuß schneller vom Gaspedal nehmen als bisher angenommen.

Die Wachstums-, Inflations- und Zinsprognosen für 2017, 2018 und 2019 blieben weitgehend unverändert, obwohl die Konjunkturdaten und die Inflationsraten seit der letzten Projektion Ende 2016 deutlicher nach oben weisen. Frau Yellen rechnet, ebenso wie der Durchschnitt der Fed-Mitglieder, unverändert mit zwei weiteren Zinsanhebungen 2017 – auf dann 1,25% bis 1,5%. Und das kommt an den Finanzmärkten gut an, wo so mancher Experte mit einem schärferen Ton Yellens gerechnet hatte. Die Aktienmärkte weltweit schalteten gleich wieder einen Gang höher.

Bei ihrer Begründung der Zinserhöhung wies Frau Yellen auch auf die verbesserte Lage der Weltwirtschaft hin. Zu recht. Denn hier gab es vor gut einem halben Jahr eine deutliche Wende. Das Konjunkturklima hat  sich seither in allen wichtigen Regionen deutlich aufgehellt, vor allem in den USA, aber zunehmend auch in der Eurozone, Japan und China.

Erstmals seit der Finanzkrise 2008/2009 geht es damit in allen vier dominierenden Wirtschaftsregionen gleichzeitig aufwärts. Und nicht nur dort, sondern auch in den Schwellenländern, bei denen höhere Rohstoff- und Energiepreise für einen Wachstumsschub sorgen.

Der Markit-Global Business Index, der monatlich die Erwartungen der Unternehmen weltweit misst, belegt diese Zuversicht eindrucksvoll: Er ist im März auf den höchsten Stand seit 2014 geklettert. In allen Ländern bis auf zwei – Indien und Brasilien – lag er über dem Februar-Niveau, zum Teil sehr deutlich. Da dieser kräftiger und breiter werdende konjunkturelle Aufwind steigende Unternehmenserträge bewirkt – die Firmenmanager sind in puncto Gewinnen derzeit so optimistisch wie seit zweieinhalb Jahren nicht mehr – ist der Treibstofftank für den Börsenaufschwung gut gefüllt.

Diese konjunkturelle Zuversicht kann natürlich durch Donald Trump verändert werden – zum noch Besseren, falls er bald substanzielle Pläne für niedrigere Steuern, höhere Infrastrukturausgaben und weniger staatliche Regulierung  auf den Tisch legt, zum Schlechteren, wenn er mit seinen Drohungen eines ausgeprägten Protektionismus Ernst macht.

Dass die Börsen aber trotz des Wirrwarrs, den Trump in den ersten beiden Monaten seiner Präsidentschaft mit seinen widersprüchlichen Signalen und irrationalen Äußerungen verursacht hat, auf Rekordjagd sind, ist vor allem auf diese breite internationale Konjunkturstärke zurückzuführen. Mit anderen Worten: Die Aufwärtstendenz in der Wirtschafts- und Gewinnentwicklung und damit auch bei den Aktienkursen ist so gut mit harten Fakten unterfüttert, dass die Politik, von Trump bis zu den Wahlen in Europa (wo das holländische Ergebnis für Erleichterung sorgt), vorerst nur eine Nebenrolle spielt. Denn höhere Unternehmensgewinne verbunden mit einer überquellenden Liquidität und auch nach der US-Zinsanhebung extrem niedrigen Zinsen waren schon immer der Stoff für nachhaltige Börsenaufschwünge.

An Aktien führt deshalb trotz der vielfältigen politischen Sorgen für die Anleger kein Weg vorbei. Ja mehr noch: sie werden durch die neu erwachte Inflationsangst zusätzlich unterstützt. Noch im vorigen Jahr hatte EZB-Chef Mario Draghi vor einer Deflation gewarnt und damit die Ausweitung des gigantischen Anleihekaufprogramms von 60 auf 80 Milliarden Euro monatlich mitbegründet. Und jetzt: In den USA lag die Teuerung im Februar bei 2,7%, in Deutschland bei 2,2% und in der Eurozone bei 2,0% – also allesamt über dem Wert, den die Notenbanken anstreben, nämlich knapp zwei Prozent.

Draghi redet diese deutliche Beschleunigung des Preisauftriebs allerdings schön und beteuert ein ums andere Mal, dass die Leitzinsen in Euroland erst einige Zeit nach dem Auslaufen des Anleihekaufprogramms, das frühestens im Dezember 2017 geschehen wird, angehoben würden. Im Klartext bedeutet das, nicht vor Herbst 2018. Solange also müssen die deutschen Zinssparer mindestens noch mit Nullzinsen rechnen. Und das bei bis zu drei Prozent Inflation, die Deutschland haben wird, wenn der Eurozonen-Durchschnitt nachhaltig die von Draghi angepeilten zwei Prozent erreichen soll. Denn in den konjunkturschwächeren Südländern liegt die Inflationsrate unter der deutschen. Aber die EZB-Politik orientiert sich an den Schwachen und nicht an den Starken wie Deutschland.

Nullzinsen bei zwei bis drei Prozent Inflation bedeuten eine kalte Enteignung der deutschen Zinssparer. Der sinkenden Kaufkraft ihres Vermögens können sie nur mit einer stärkeren Gewichtung von Sachwerten, insbesondere Aktien entgehen.

Aktien, das zeigt die Historie, bieten einen Inflationsschutz und laufen am besten, wenn die Lebenshaltungskosten anziehen, aber unterhalb von drei Prozent bleiben. Und das wird vorerst in der Eurozone im Durchschnitt der Fall sein.

Das Jahr 2017 wird dank all dieser positiven Einflüsse ein guter Aktienjahrgang werden. Anleger sollten dabei europäische Aktien leicht übergewichten, weil die Bewertung im EuroStoxx um rund 20% niedriger liegt als im S&P 500. Europa hat ebenso Nachholbedarf wie die trotz der jüngsten Kursgewinne immer noch recht günstig bewerteten Schwellenländer.

Bild: Federal Reserve