Meine Meinung

Ein seit längerem totgeglaubtes Thema, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTS) haben jetzt Mitte Oktober die Finanzminister von 10 Staaten der Eurozone wieder aufleben lassen. Und wieder einmal typisch für ihre Ignoranz, wollen sie damit einseitig vor allem Aktien besteuern.

Ziemlich überraschend haben sich die Minister im Prinzip geeinigt, bis Jahresende einen Gesetzentwurf vorzulegen, der dann über das endgültige Schicksal der FTS entscheiden soll. Findet er die Zustimmung von mindesten 9 Ländern – das ist die Mindestanforderung –, soll die Steuer frühestens 2018 eingeführt werden. Ein sehr großes Fragezeichen steht damit zwar immer noch hinter dem Projekt, aber über die Palette der Anlagen, die besteuert werden sollen, sind sie sich ziemlich einig:

–   Zunächst nur Aktien aus den Ländern, die bei der FTS mitmachen, später sollen dann alle Aktien erfasst werden
–   Derivate, aber mit Ausnahme von Produkten, bei denen öffentliche Anleihen zu 100 % als Underlying dienen, ausgenommen sind auch Rückkaufvereinbarungen, so genannten Repos, sowie alle Transaktion staatlicher Schuldenmanager.

Erinnern wir uns: Als 2011 die ersten Pläne für eine FTS auftauchten, hieß es, mit den Erlösen sollten die Schuldigen an der Finanzkrise zur Finanzierung der Riesenschäden herangezogen werden. Wer aber sind die Schuldigen?

Erinnern wir uns auch, was den ersten Teil des Finanzcrash ausgelöst hatte: Es waren Anleihen und Derivate auf faule, ja betrügerische  amerikanische Immobilienkredite. Ausgerechnet Anleihen und Immobilienfinanzierungen aber sollen nun gar nicht herangezogen werden.

Erinnern wir uns drittens, was den zweiten Teil der Finanzkrise ausgelöst hat: Es waren die Staatsschuldenkrisen und damit die Staatsanleihen von Griechenland, Portugal, Spanien, Irland und Italien, den so genannten PIIGS, die Europa an den Rand des Abgrunds stießen. Aber Staatsanleihen werden nicht mit Steuern bestraft. Seltsam.

Die Hauptlast der geplanten Finanztransaktionssteuer sollen vielmehr Aktien und Derivate darauf tragen. Und die Steuer – deren Höhe noch nicht festgelegt ist – wird wie eine Mehrwertsteuer eins zu eins auf die Kunden umgelegt. Privatanleger ebenso wie Investmentfonds oder auch Pensionskassen und Lebensversicherungen – so letztere  ausnahmsweise Aktien kaufen –, also indirekt auch wieder Privatanleger.

Diejenigen, die überhaupt keine Schuld an der Finanzkrise tragen, und die mit Kursverlusten bei Aktien, mit der Mini- und später Null- und Negativzinspolitik schon hart bestraft wurden und werden, sollen also letztlich eine Hauptlast der FTS tragen. Das ist ungerecht und unsinnig. Aber es entspricht leider dem Denken in weiten Teilen von Politik und Medien: Aktien sind nur was für Spekulanten, und Spekulanten müssen bestraft werden. Ja sehen sie denn nicht, dass Aktien ihrem Wesen nach als Investition in Unternehmen eine Langfristanlage sind, die zurzeit die einzige Alternative für Sparer ist, der Nullzinsfalle zu entgehen und die für die Altersvorsorge unverzichtbar ist?

Abgesehen davon ist es ein Irrsinn, in einer globalisierten Welt ausgerechnet im Finanzbereich eine Insellösung mit 10 Ländern durchzudrücken. Angesichts der Ablehnung einer Finanztransaktionssteuer durch die USA, Großbritannien, Japan und die Emerging Markets ist sie eine Art Subventionsprogramm für deren Finanzmärkte. Die professionellen Investoren werden vermutlich leicht Lücken finden, um der FTS zu entgehen. Bleiben also vorwiegend die Privatanleger als Zahlmeister.

Aber um nicht ausgerechnet die schwächsten Schultern, die zudem noch die Hauptleidtragenden der Finanzkrisen und ihrer Folgen sind, die überwiegende Last der FTS tragen zu lassen, wäre es nur gerecht und sinnvoll, alle Transaktionen von Privatanlegern generell von der Steuer auszunehmen – oder ihnen ersatzweise einen hohen Freibetrag einzuräumen. Die allerbeste Lösung wäre es allerdings, die Politiker würden zur Vernunft kommen und das Projekt FTS zu Grabe tragen. Aber Vernunft, oder ganz einfach der gesunde Menschenverstand, kommt selten vor bei politischen Entscheidungen in der Eurozone.

Bild: T. Kirschbaum