Meine Meinung

Das zu Ende gehende Jahr hat die Anleger Nerven gekostet. Die Kursschwankungen waren zeitweise extrem, und Aktien und die meisten anderen Anlageformen stehen nach den ersten elf Monaten überwiegend dick im Minus. Die geplatzte Blase bei den amerikanischen Technologieaktien hat von den zuvor traumhaften Kursgewinnen nur noch ein kleines Gewinn-Plus übriggelassen. Weitaus am schlimmsten aber, und das ist für mich keine Überraschung, hat es die im Jahr zuvor so hochgejubelten Kryptowährungen erwischt, von denen sich die wichtigste, Bitcoin, trotz über 80% Verlust seit dem Allzeithoch vor einem Jahr sogar noch mit am besten geschlagen hat. Ich hatte öffentlich vor dem Kauf von Bitcoins gewarnt.

Ich will mich aber nicht lange mit dem Rückblick beschäftigen – Sie alle wissen, dass zahlreiche politische Krisen und Unsicherheiten eine entscheidende Rolle für die schwache Kursentwicklung gespielt haben. Unsicherheit aber ist der größte Feind der Anleger: Sie hat zur Folge, dass Investitionen von Unternehmen und Anschaffungen von Verbrauchern aufgeschoben oder gestrichen werden. Das bremst das Wachstum. Und sie reduziert die Risikobereitschaft der Anleger und damit die Nachfrage nach Aktien. Wenn man heute nicht weiß, mit welcher neuen Schnapsidee Trump & Co. morgen Wirtschaft und Finanzmärkte überraschen, ist es schwer, längerfristig zu planen.

Leider, und das ist die schlechte Nachricht, werden Unsicherheiten und heftige Kursausschläge auch 2019 das Bild prägen. Ich will das an drei Unruheherden verdeutlichen:

Die Italienkrise wird weiter schwelen, bis ein fauler Kompromiss gefunden ist, der die Probleme nicht löst, sondern vertagt – wie das in der Eurozone so üblich ist.

Beim Brexit ist es noch erheblich komplizierter. Der zwischen den EU und dem Vereinigten Königreich abgeschlossene Vertrag in Form einer Zollunion bindet zwar einerseits die beiden so eng wie möglich zusammen, schränkt aber andererseits die Handlungsfreiheit und Unabhängigkeit der Briten ein und ist genaugenommen ein Knebelvertrag zu ihren Ungunsten.

Wenn die Regierung May in Kürze die Abstimmung im Unterhaus gewinnen sollte, und es letztlich zu einem geordneten Austritt der Briten kommt, halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass nach ein oder zwei Jahren, wenn die wirtschaftlichen Nachteile für die Briten deutlicher sichtbar werden, Neuwahlen abgehalten werden und die Briten den Brexit rückgängig machen.

Am schwierigsten ist die Entwicklung jedoch bei den Handelskonflikten abzuschätzen. Bei einem so unberechenbaren US-Präsidenten wie Trump ist alles möglich, von einer gefährlichen Eskalation bis hin zu einem plötzlichen „Friedensschluss“ mit China und anderen Handelsgegnern.
Jedenfalls müssen wir davon ausgehen, dass die Welt auch 2019 geopolitisch kein friedlicher Ort sein wird. Der Gegenwind für die Börsen wird also oft heftig vor allem von der politischen Seite wehen.

Die gute Nachricht: Trotz Politik kann 2019 ein gutes Börsenjahr werden

Also Hände weg von Aktien? Nein, ganz und gar nicht. Die gute Nachricht lautet: Trotz der hinderlichen Politik könnte 2019 ein relativ gutes Börsenjahr werden. Der Kurseinbruch der US-Börsen im Oktober und November, der auch die übrigen Aktienmärkte mitriss, hat die Bewertungen wieder auf ein akzeptables, zum Teil sogar günstiges Maß zurückgeführt. Von einer Überspekulation und Überbewertung ist, von Ausnahmen im Technologiebereich abgesehen, nichts mehr übrig. So ist das Kurs-/Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 von über 21 Ende September auf 16 gefallen, beim MSCI Europe erreicht es nur noch knapp 12, beim DAX sogar noch etwas weniger. Im historischen Vergleich ist das günstig.

Hinzu kommt, dass die Leitzinsen in den USA zwar gestiegen, mit 2,0 bis 2,25% aber immer noch niedrig sind. In Europa liegen sie unverändert bei null, und werden dort voraussichtlich auch 2019 bleiben. Denn die Zinserwartungen haben sich in den letzten Wochen deutlich verändert – aus zwei Gründen:

Erstens hat Fed-Chef Jerome Powell klar gemacht, dass die Leitzinserhöhungen bald den neutralen Zinssatz erreicht haben, der die Konjunktur weder bremst noch antreibt. Er wurde noch Anfang Oktober bei 3 bis 3,5% angesiedelt, jetzt gehen die Märkte von 2,5 bis 3% aus. Das würde bedeuten, dass es 2019 nur ein bis zwei statt der bisher erwarteten drei bis vier Zinserhöhungen geben wird. Der Gegenwind für Börsen und Wirtschaft aus der Fed-Richtung wäre damit merklich schwächer, zumal Powell den riesigen Anleihebestand, den seine Vorgänger Ben Bernanke und Janet Yellen nach der Finanzkrise aufgetürmt haben, nur schonend reduziert. Die Liquidität sinkt damit zwar in den USA leicht, aber die EZB und die Bank of Japan denken noch lange nicht an einen Abbau. Aber immerhin will die EZB ihre Nettokäufe Ende Dezember beenden. Die Welt-Liquidität bleibt also 2019 mehr als reichlich.

Zweitens sieht es mehr und mehr danach aus, als würde die EZB 2019 gar nicht erst mit Zinserhöhungen anfangen. Bisher galt der Dezember 2019 als wahrscheinlicher Termin für den ersten Zinsschritt, jetzt wird er erst 2020 erwartet. Warum? Das liegt an den Auswirkungen von Brexit, italienischer Schuldenkrise und weltweiten Handelskonflikten auf die Konjunktur. Sie hat sich in der Eurozone stark abgekühlt, in Deutschland ist das Wachstum im dritten Quartal sogar ins Minus gerutscht. Da die EZB – anders als früher die Bundesbank- seit der Finanzkrise vorwiegend die Konjunktur und nicht die Inflation in den Mittelpunkt ihrer Politik stellt, wird sie im Zweifel alles tun, die Konjunktur am Laufen zu halten und lieber eine höhere Inflation zulassen , als eine Rezession zu riskieren. Italiens Wirtschaft ist sehr schwach. Höhere Zinsen würden dort die Schuldenproblematik dramatisch verschlimmern. Da wird EZB-Chef Mario Draghi seinen Landsleuten aber, wie üblich, zu helfen wissen.

Die Weltwirtschaft wächst gleichmäßiger und etwas langsamer

Weniger starke Zinserhöhungen als erwartet stützen somit die Konjunktur und die Börsen. Sie wird aber in den Industrieländern 2019 schwächer werden, in den USA wegen der nachlassenden Impulse der Steuersenkungen und der negativen Folgen von Trumps Handelspolitik, in Europa wegen der politischen Unsicherheiten und der Auswirkungen der Handelskonflikte auf die Weltwirtschaft. Und auch Chinas Wachstum dürfte leicht abnehmen, allerdings stemmt sich die Regierung mit Hilfen für Unternehmen, Zinssenkungen und einem Liquiditätsschub gegen den Abwärtstrend.
Ein Einbruch oder gar eine Rezession der Weltwirtschaft ist nicht zu erwarten – solange die Politik nicht völlig verrückt spielt. 1,5% Wachstum in Deutschland und Europa, das genügt den Märkten, weil gleichzeitig die Zinsangst nachlässt. Ein mäßiges, aber nicht zu schwaches Wachstum ist historisch betrachtet ohnehin am besten für die Aktienmärkte. Das verhindert eine Überhitzung der Wirtschaft und absorbiert weniger Kapital für die Realwirtschaft, so dass genug Liquidität für die Finanzmärkte übrigbleibt.

2019 dürften die Unternehmensgewinne, die langfristig den stärksten Einfluss auf die Kurse ausüben, angesichts des schwächeren Wachstumstempos sowohl in den USA als auch in Europa im Durchschnitt um 8 bis 10% zulegen. 2018 waren es in den USA noch deutlich über 20%. Hinzu kommt, dass viele Aktiengesellschaften auf Grund der guten Ertragslage der letzten Jahre ihre Dividenden weiter erhöhen werden. Die Schätzungen der Analysten gehen davon aus, dass mindestens 20 der 30 DAX-Unternehmen mehr als 2018 ausschütten werden. Die Dividendenrendite im DAX liegt bei 3%, verglichen mit 0,4% Rendite für zehnjährige Bundesanleihen. Ein Drittel der DAX- und MDAX-Aktien bringt sogar mehr als vier Prozent Dividendenrendite.

Aktien sind ein Muss zum Schutz vor der Inflation

Bei so hohen Renditen können Aktienbesitzer mit der Inflation leben. Mit Zinsanlagen ist das – wie schon seit 8 Jahren – noch für lange Zeit nicht möglich. Die Inflationsrate in Deutschland hält sich hartnäckig zwischen 2,0 und 2,5%, Zinssparer, die nicht viel mehr als null Prozent Rendite erzielen können, machen also real Verluste, die Kaufkraft ihrer Ersparnisse sinkt Jahr für Jahr – ein schleichende Entwertung des Vermögens. Ich rechne sogar damit, dass die Inflationsraten 2019/2020 auf drei Prozent und mehr steigen können, weil die Lohnkosten stärker klettern, Energie und Rohstoffe – trotz des aktuellen Ölpreisverfalls – teurer werden dürften und der schwächere Euro Einfuhren verteuert. In Inflationszeiten bieten Aktien als Substanzwerte Schutz vor Inflation. Aktien florieren solange die Notenbanken die Inflation nicht mit hohen Zinsen energisch bekämpfen. Und das werden sie vorerst nicht wagen.

Aktien mit hohen Dividenden zählen meistens zu den Substanz- oder Value-Werten, die durch günstige Bewertungen und langfristig stabiles, aber mäßiges Gewinnwachstum gekennzeichnet sind.

Trendwende zu Substanzaktien, Nebenwerten und Schwellenländern

In den vergangenen beiden Jahren hatten Value-Aktien klar das Nachsehen gegenüber den Growth-Aktien, die vor allem im Technologiebereich anzutreffen sind. Dieser Trend hat im Oktober gedreht. Während die Bewertung von Value-Aktien recht günstig ist, erscheint sie für Growth-Aktien immer noch ziemlich hoch. Das KGV des MSCI World Value, der 860 Substanzwerte aus dem MSCI World enthält, liegt nur bei 12, das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) bei 1,6 und die Dividendenrendite bei 3,5%, während der MSCI World Growth mit seinen 950 Wachstums-Aktien ein KGV von 18, ein KBV von 3,9 und eine Dividendenrendite von nur 1,5% aufweist. Sie sind also teurer und werfen deutlich geringere Dividenden ab. Es empfiehlt sich, Value-Aktien überzugewichten, weil sie Nachholbedarf haben.

Gleiches gilt für die Nebenwerte, die sogenannten Small- und Mid-Caps, die ebenfalls seit 2017 gegenüber Standardwerten, sogenannten Large Caps, ins Hintertreffen geraten sind. Auch sie dürften 2019 besser abschneiden. Nicht zuletzt sollten Anleger Aktien aus Schwellenländern wieder höher gewichten, die in den letzten Jahren wegen Kurs- und Währungsverlusten an Boden verloren haben. Sie weisen inzwischen attraktive Bewertungen auf, und die geringer als erwarteten Zinssteigerungen entlasten die Emerging Markets mehr als die Industrieländer. Allerdings bleibt ein Risiko wegen der Handelskonflikte, vor allem für China.

2019 dürfte übrigens aus einem noch ganz anderen Grund ein gutes Börsenjahr werden: Wenn in den USA nach den Zwischenwahlen die Mehrheiten im Senat und Repräsentantenhaus so wie jetzt gesplittet sind – wenn also ein Patt herrscht (im Senat haben die Republikaner die Mehrheit und im Repräsentantenhaus die Demokraten) haben in der Vergangenheit Aktien am besten abgeschnitten, weil dann die Politik nicht so viel Unfug anstellen kann. Der S&P 500 hat nach den Zwischenwahlen, in denen ein republikanischer Präsident einem gesplitteten Kongress gegenübersteht, seit 1961 im Durchschnitt um 15,7% zugelegt. Generell ist das dritte Präsidentenjahr zudem historisch für die Börsen besonders positiv.

Ich fasse zusammen: 2019 hat durchaus das Potenzial, ein gutes Börsenjahr zu werden, allerdings müssen die Anleger mit starken Kursschwankungen rechnen. Um in solch unsicheren politischen Zeiten die Schwankungen zu dämpfen, braucht es eine breite internationale Streuung. Das ist mit ETFs am besten zu machen. Im Depot sollten dabei Value-Aktien, Small- und Mid-Caps sowie Emerging Markets-Aktien übergewichtet werden. Alle drei Aktienklassen sind jetzt historisch günstig bewertet – und es ist wissenschaftlich erwiesen, dass sie langfristig überdurchschnittliche Erträge generieren.

Der von mir initiierte Pro Select Weltfonds (Kenn.-Nr. LU1696810313) ist genau nach diesen Aktienklassen angelegt und hat daher gute Wachstumsaussichten bei deutlich geringeren Schwankungen.

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