Interviews

Gottfried Heller rechnet damit, dass 2016 die zuletzt stark heruntergeprügelten Aktien von Versorgern, Öl- und Rohstoffkonzernen zurückkommen. Außerdem setzt er grundsätzlich auf Value-Aktien und Dividendenwerte.

BÖRSE ONLINE: Herr Heller, mal ganz plakativ gefragt: Welche Aktien werden 2016 am meisten profitieren?

Gottfried Heller: Ich erwarte, dass 2016 jene Werte eine Renaissance erleben werden, die heruntergeprügelt worden sind, also Chemie, Öl, und Rohstoffe. Auch die Emerging Markets haben schwer gelitten und dürften deshalb im nächsten Jahr zurückkommen. Ich empfehle grundsätzlich, in jene Werte zu investieren, die zuletzt stark zurückgeblieben sind. Und in Dividendenwerte. Von der gestiegenen Kaufkraft dank des billigen Öls dürften auch die Konsumwerte profitieren. Eine gewisse Ausdauer zahlt sich bei der Geldanlage ohnehin grundsätzlich aus. Dazu passt ein Spruch meines verstorbenen Partners Andre Kostolany: „Mit dem Hintern verdient man mehr als mit dem Hirn.“

Das ist leichter gesagt als getan in einer Welt mit zunehmenden Unsicherheiten und konjunkturellen Risiken.

Ich denke, dass beispielsweise gerade die Konjunktur im Moment übertrieben schlecht dargestellt wird. Allein schon das billige Öl wirkt wie ein Konjunkturprogramm, das der Weltwirtschaft über eine Billion Dollar weniger Kosten beschert. Da leiden ein paar Länder darunter wie Brasilien, Venezuela oder Russland, aber 90 Prozent der Menschheit profitieren davon. Vor allen der Konsum wird durch das billige Öl gefördert.

Was bedeutet das für die Börsen 2016?

Die Börse wird 2016 nicht schlecht sein, obwohl sie schon reichlich bewertet ist. Dennoch sind die Voraussetzungen gut. 2016 haben wir zudem ein Wahljahr in den USA. Das vierte Jahr eines Präsidenten ist meist das beste Börsenjahr, da der Präsident dann sozusagen schon eine „lahme Ente“ ist und deshalb keine für die Börse störenden Gesetze erlassen werden.

Was haben die Weltbörsen davon?

Da Amerika die Leitbörse ist, werden die anderen Börsen davon profitieren. Außerdem bleibt die Niedrigzinsphase erhalten, selbst wenn die US-Notenbank Fed den Zins leicht anhebt.

Ich glaube, dass eine Zinserhöhung schon in den Kursen eingepreist ist und dass die Börsen nach der Zinsanhebung eher steigen.

Angesichts zahlreicher Risiken wie Terrorgefahr,  Flüchtlingsproblematik, konjunkturelle Unsicherheiten, dazu gravierende Umwälzungen in Kernmärkten wie China – wo sehen Sie die Hauptgefahr für die Märkte im nächsten Jahr?

In Europa wird die Eurokrise zurückkehren, die zuletzt fast totgeschwiegen wurde wegen der Flüchtlingsdebatte. Die Griechen muss man immer wieder daran erinnern, dass sie Reformen machen. Sie bleiben ein Dauerproblem.

Wie hoch schätzen Sie die Crash-Gefahr ein?

Meiner Ansicht nach liegt die Hauptcrashgefahr für die Märkte nicht im Aktienbereich, sondern bei den Anleihen. Da muss man sich nur die von EZB-Chef Draghi manipulierten Staatsanleihen ansehen. Im Anleihebereich gibt es eine staatlich herbeigeführte Blase. Aber das sind eher längerfristige Gefahren-Szenarien. Kurzfristig müsste schon etwas Dramatisches passieren, damit es zu einem Börsencrash kommt.

Welches Rückschlagpotenzial sehen Sie beim DAX?

Der DAX ist mit einem KGV von 13 derzeit relativ günstig bewertet, verglichen mit seinem historischen KGV von durchschnittlich 16. Insofern glaube ich nicht, dass der DAX noch gewaltige Verlustrisiken beinhaltet. Fünf bis sieben Prozent sind immer mal wieder drin. Das Schlimmste ist aber, glaube ich, passiert.

Warum hat es zuletzt so starke Schwankungen gegeben, auch bei Einzelwerten wie Linde oder Infineon?

Man muss sich immer im Klaren sein, dass der DAX grundsätzlich einer der schwankungsreichsten Indizes ist, da er zu zwei Dritteln in den Händen ausländischer institutioneller Investoren ist. Deshalb schwankt der DAX so stark, und deshalb hat es zuletzt auch so starke Schwankungen bei Einzelwerten gegeben. Daher würde ich raten, sich nicht dauernd nur den volatilen DAX, sondern auch mal andere Indizes anzusehen, zum Beispiel den MSCI World Index, der die ganzen Industrieländer abdeckt. Mit sogenannten börsennotierten Indexfonds (ETF) sollte man sein Depot ohnehin international diversifizieren, wodurch man das Risiko senken und die Rendite steigern kann, wie ich es in meinem Buch „Der einfache Weg zum Wohlstand“ nachgewiesen habe. Dazu gehören Regionen wie Amerika, Asien, auf jeden Fall auch die Emerging Markets, die es furchtbar zerlegt hat.

Sie haben eingangs erwähnt, dass sie auf Dividendentitel setzen. Welche DAX-Werte in dieser Kategorie würden Sie derzeit empfehlen?

Neben Allianz und BASF mit jeweils über vier Prozent Dividendenrendite kämen dafür auch Eon mit über sechs und RWE mit über neun Prozent in Frage. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Versorger die Dividende hoch halten, ist groß, weil die Kommunen als Anteilseigner diese Dividende fest in ihrer Finanzplanung haben. Beide Versorger spalten sich derzeit auf in einen Bereich mit dem traditionellen Geschäft und einen Bereich mit den erneuerbaren Energien. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die deutsche Politik die beiden großen Versorger verkümmern lässt, besonders auch im Hinblick auf die Energiesicherheit. Insofern dürften sie für langfristig orientierte Anleger einen Blick wert sein.

Stark verloren hat der Düngemittelkonzern K+S nach der gescheiterten Übernahme durch den kanadischen Konkurrenten Potash. Jetzt haben Sie K+S als aussichtsreich bezeichnet – warum?

Bei K+S waren sehr viele Spekulanten drin wegen der Übernahmegeschichte mit Potash. Diese Spekulanten sind ausgestiegen beziehungsweise noch dabei, auszusteigen, weswegen die Aktie unter Druck ist. Aber als Langfrist-Investment ist K+S auf jeden Fall empfehlenswert.

Die Volkswagen-Aktie erscheint nach dem Abgasskandal günstig – ist das für Sie jetzt auch ein Kauf?

VW ist ein Problemfall, weil sie in den USA eine offene Flanke wegen der Schadensersatzprozesse haben. VW ist damit eine „Prozessaktie“ und wird ziemlich schwankungsreich sein, auch wenn sie derzeit relativ billig ist. VW drohen vor allem in den USA Schadensersatzforderungen in unbekannter Höhe. Ich fühle mich immer wohler, wenn ich nicht in Papieren mit unkalkulierbaren Risiken investiert bin.

 

Gottfried Heller: Der Vermögensverwalter und Fondsmanager gilt als einer der besten Kenner der internationalen Finanzmärkte. Heller war jahrzehntelang Freund und Partner der Börsenlegende André Kostolany, mit dem er 1971 die Münchner Depotverwaltung Fiduka gründete. In seinem Buch „Der einfache Weg zum Wohlstand“ (Finanzbuch Verlag) beschreibt er in allgemein verständlichen Worten Anlagestrategien und gibt Tipps zu Vermögensaufbau und Werterhalt.

 

Bild: Dragunov1981/istockphoto.com