Interviews

Die Korrektur könne noch eine Weile dauern. Es lockten aber Chancen. Das sagt Gottfried Heller, Seniorpartner der Fiduka Vermögensberatung (München) und Buchautor.

von Dieter W. Heumann

Nordwest Zeitung: Der Dax ist 2016 extrem schwach gestartet. Ist die Abwärtsbewegung nur eine vorübergehende Korrektur oder steht uns eine veritable Baisse – und damit eine Trendumkehr nach der seit 2009 laufenden Hausse – bevor?

Gottfried Heller: Nein, die Börsen verhalten sich derzeit völlig irrational, so wie sie das schon mehrmals in dieser Haussebewegung gemacht und heftige Korrekturen ausgelöst haben und, wie ich es schon oft in meiner 45-jährigen Börsenkarriere erlebt habe.

Und was sind nach Ihrer Meinung die Fakten?

Der billige Ölpreis ist nicht ein Indiz einer schlechteren weltweiten Wirtschaftslage, sondern er ist die Folge eines temporären Überangebots von Öl, das durch den Iran nach Aufhebung der Sanktionen mittelfristig noch erhöht wird. Es wird von den Märkten völlig ignoriert, dass der Ölpreis wie ein riesiges Konjunkturprogramm wirkt, weil er für etwa 80 Prozent der Menschheit die Kaufkraft um rund 1,3 Billionen Dollar erhöht. Dies wird in erster Linie dem Konsum zugutekommen.

Und China?

Auch die heftigen Börsenturbulenzen in China sind vorwiegend technischer Natur. Sie haben ihren Ursprung bei den A- und B-Aktien, die fast ausschließlich von unerfahrenen chinesischen Privatanlegern gekauft wurden und das häufig mit hohen Kredithebeln. Diese Spekulationsblase wird sich in absehbarer Zeit entleert haben. Die Weltwirtschaft befindet sich dagegen weiter in einem moderaten Konjunkturaufschwung. Das sowie eine gigantische Geldschwemme, ein tiefer Ölpreis und Zinsen nahe Null sind beste Voraussetzungen für steigende Aktienkurse. Die Bewertungen und mehr noch die Dividendenrenditen sind jetzt vor allem in Europa und Asien wieder sehr günstig. Es gibt angesichts der Nullzinsphase keine vernünftige Alternative zu Aktien.

Sehen Sie eine Gelegenheit, sich einzudecken?

Der jetzige Kursrutsch bietet sich für günstige Käufe an, wobei aber jedem Anleger klar sein muss: Wenn die Märkte verrückt spielen, dann gründlich. Die Korrektur kann deshalb noch eine Weile andauern. Daher sollten Käufe nicht auf einmal, sondern in mehreren Teilbeträgen – am besten an schwachen Tagen – vorgenommen werden, um einen günstigen Mischkurs zu erzielen. Alte Kaufmannsregel: Der Gewinn liegt im billigen Einkauf. Für langfristig orientierte Anleger, die in soliden Aktien oder Fonds investiert sind, empfehle ich, stillzuhalten und die Turbulenzen auszusitzen.

Auf welche Titel können Anleger setzen?

Für Langfristanleger bieten sich bei Ölaktien mit hohen Dividenden, Rohstoffwerten, Automobil- und Pharmazietiteln und vor allem Konsumaktien angesichts der stark gefallenen Kurse jetzt sehr gute Chancen.

Und welche Werte sollte man meiden?

Ich glaube, die Technologieaktien sind ziemlich ausgereizt. Bankaktien habe ich längst nicht mehr auf meiner Rechnung.

Bild: Deutsche Börse Group