Interviews

BÖRSE ONLINE: Nasdaq, Dow Jones und S&P 500 haben 2016 angesichts der US-Wahl und der Zinserhöhung der Fed neue Rekordstände erreicht und dabei auch den Dax und andere europäischen Indizes deutlich hinter sich gelassen. Bleibt die Wall Street auch 2017 im Rally-Modus?
Gottfried Heller: Die US-Börsen haben schon im Voraus Trumps Wirtschaftsprogramm gefeiert: Er will die Steuern senken, Regulierungen lockern oder abschaffen und ein massives Infrastrukturprogramm auflegen. Trump kopiert das Wirtschaftsprogramm von Präsident Ronald Reagan. Sogar sein Wahlslogan „Make America Great Again“ stammt von Reagan 1980.

Selbst wenn seine grandiosen Pläne nur mit Abstrichen den Kongress passieren werden, können wir davon ausgehen, dass sie noch immer die radikalsten Änderungen seit Ronald Reagan 1986 darstellen. Dass die europäischen und asiatischen Börsen weit weniger gestiegen sind, ist schon eine Reaktion auf Trumps angedrohte protektionistischen Maßnahmen.

Derzeit weisen US-Aktien den größten Abstand im Kurs-/Gewinn-Verhältnis (KGV) seit über 4 Jahren gegenüber dem Euro Stoxx auf; sie sind etwa 20 Prozent teurer. Trotz der Struktur- und Konjunkturschwäche Europas dürfte der Börsenaufschwung mit Verzögerung auch bei den europäischen Aktien ankommen.

Den Bewertungsabstand werden sie aber nicht ganz aufholen, weil die US-Wirtschaft viel dynamischer ist und nicht durch eine fortwährende Euro-Krise gebremst wird.

Wo sehen Sie den S&P 500 Ende 2017 und welchen Stand erwarten Sie auf Jahressicht für den Dax?
Die Prognose, wo genau Ende 2017 der S&P 500 und der DAX stehen, überlasse ich den Kaffeesatzlesern. Es gibt viele Unbekannte, die die bestbegründeten Annahmen über den Haufen werfen können. Ich begnüge mich damit, dass die Wirtschaft weltweit anzieht, weil jetzt auch die Investitionen angesprungen sind. Steigende Unternehmensgewinne waren schon immer die stärksten Treiber für Aktien. Das Jahr 2017 dürfte im Zeichen von Aufwärtstrends stehen: Höheres Wirtschaftswachstum, steigende Unternehmensgewinne und Aktienkurse, aber auch zunehmende Inflation und deutlich höhere Börsenschwankungen.

Welche Themen dürften die Entwicklung an den Börsen 2017 aus heutiger Sicht bestimmen?
Die wichtigsten Themen werden die Rentenmärkte und die Inflation sein. Die deutschen Sparer werden infolge der Nullzinspolitik seit 7 Jahren enteignet und nun werden ihre Ersparnisse bei steigender Inflation zusätzlich noch entwertet. Sie müssen raus aus verlustbringenden Anleihen und hinein in Aktien.
Bei Rentenpapieren überwiegen die Risiken deutlich gegenüber den Chancen. Die deutschen Anleger müssen endlich Abstand nehmen von ihren Vorurteilen, Aktien seien Zockerpapiere. Ja, viele benutzen Aktien als Zockerpapiere. Aber es gilt der Spruch: „Ein Zocker, der reich stirbt, stirbt vor seiner Zeit.“
Die Risiken von Aktien werden überschätzt, die Rendite aber unterschätzt. In Wirklichkeit sind Aktien langfristig allen anderen Anlageformen überlegen. Die Gesamtrendite aus Kursgewinnen und wieder angelegten Dividenden betrug auf lange Sicht bei allen wichtigen Industrieländern im Schnitt etwa 10-11 Prozent. Zieht man die Inflationsrate ab, verbleiben noch immer real 6-7 Prozent.

Welcher der wichtigsten Börsenindizes weltweit trauen Sie 2017 die beste Entwicklung zu?
Wenn sich die Weltwirtschaft belebt, werden konjunkturabhängige Börsen sich gut entwickeln. Das gilt für Rohstoffländer und für die Emerging Markets. Genau vorhersagen lässt sich das aber nicht, weil es von der Entwicklung des Dollars, der Inflation und der Zinsen abhängt. Daher kann man in der Wahl der Börsen oder im Timing oft total schief liegen. Die beste Strategie, um von steigenden Aktienkursen zu profitieren und gleichzeitig die Risiken zu reduzieren, habe ich in meinem Buch „Der einfache Weg zum Wohlstand“ beschrieben.
Ein internationales Depot, das nicht nur Standardwerte sondern auch Nebenwerte und Emerging Markets enthält, lässt sich am besten mit gut gemanagten Investmentfonds oder ETFs (börsengehandelte Indexfonds) gestalten. Letztere halte ich für eine große Bereicherung der Investmentpalette.

Wo sehen Sie die größten Risiken für die Börsen 2017?

Eines der größten Risiken ist der neue US-Präsident Donald Trump. Seine Unberechenbarkeit wird auch zu Verunsicherungen an den Börsen führen. Ein Risiko besteht auch darin, dass die US-Konjunktur stärker anzieht, der Ölpreis und die Inflation steigen und als Folge die US-Fed die Zinsen schneller anheben muss.
Geopolitisch bleibt Nahost, oder ein Konflikt zwischen USA und China ein Risikofaktor. Hinzu kommen Wahlen in Frankreich, Holland, Deutschland und möglicherweise in Italien, die eine akute Euro-Krise auslösen könnten. Erhebliche Schwankungen an den Börsen sind also vorprogrammiert.

Die US-Notenbank hat auf ihrer jüngsten Sitzung für 2017 insgesamt drei Zinsschritte in Aussicht gestellt. Wird die EZB sich diesem Druck entziehen können und an ihrer Niedrigzinspolitik festhalten?

Ob die Fed drei Zinsschritte machen wird, bleibt offen. Sollte sie es aber tatsächlich tun, gerät die EZB in eine Zwickmühle. Mario Draghi und der EZB-Rat werden zu entscheiden haben, ob sie ebenfalls nachziehen. Nach meiner Einschätzung wird Herr Draghi mehr Rücksicht auf Italien und die anderen schwachen Südländer nehmen, als auf Deutschland, das schon längst eine Zinserhöhung gebraucht hätte.

Neben der Entwicklung an den Aktienmärkten schauen viele Anleger besonders auf den Goldpreis. Wo dürfte der Preis für die Feinunze Gold Ende 2017 liegen?
Gold profitiert von Krisen und Inflation und leidet unter steigenden Zinsen und einem starken Dollar. Das ist derzeit der Fall. Mit Gold kann man das Vermögen nicht mehren, sondern gerade mal vor der Inflation schützen.

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